Mitte der 90er Jahre wirkte ich bei der damaligen Kultsendung >Schreinemakers TV< als Psychologe zum Thema „Liebesterror/Stalking“ mit. Seitdem habe ich in Presse, Funk und Fernsehen mehr als 1000 Interviews und Stellungnahmen zu unterschiedlichsten Themen gegeben. Eine willkommene Abwechslung zur täglichen Praxisarbeit, stets mit dem Anspruch verbunden, die psychologischen Hintergründe des jeweiligen Themas zu klären und für das Publikum in verständlicher Form darzustellen. Wesentliche Voraussetzungen hierzu für den Psychologen: Neugier auf alle Facetten des Lebens und Zusammenlebens, große Nähe zum Alltagsgeschehen, oder – wie ich es gern ausrücke: „Empathie für das Alltägliche“.
Die Kombination aus Medienerfahrung und langjähriger therapeutischer Praxis war es, welche die Macher von >Big Brother< dazu bewog, mich mit der Auswahl geeigneter Sendungsteilnehmer (Casting) sowie deren psychologischer Vorbereitung und Betreuung (Coaching) zu beauftragen. Bis heute habe ich für mehr als 35 TVProjekte (neben >Big Brother< zum Beispiel >Fame Academy<, >Deutsche Stimme 2003< etc.) mehr als 500 Kandidaten auf Persönlichkeitstypus und psychologische Eignung für sog. Real-Life-Formate getestet. Mehr als 200 Teilnehmer wurden von mir vor und während der Sendung erfolgreich gecoacht.
Ursprünglich bedeutet Casting die Auswahl geeigneter Schauspieler, Komparsen etc. für bestimmte Film- und Fernsehrollen. Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure kreieren Figuren und Charaktere, die nur von entsprechenden Typen überzeugend dargestellt werden können. Diese zu suchen – und zu finden! – ist die anspruchsvolle Aufgabe spezialisierter Casting-Unternehmen.
In der modernen Fernsehlandschaft mit ihrer Vielfalt von Soaps, Talk-Shows und Quizsendungen, hat das Casting zusätzlich besondere Bedeutung gewonnen: Hier werden Laien gesucht, die möglichst optimal in das jeweilige Sendeformat passen, wo sie für begrenzte Zeit im Rampenlicht stehen. Um die vorgegebenen Anforderungen zu erfüllen, sollen diese Personen bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen. Das hierzu eine stabile Psyche zählt, liegt auf der Hand. Damit dies gewährleistet ist, wird der Psychologe eingebunden, um Persönlichkeitsprofil und Eignung von Kandidaten zu prüfen.
Um sichere Aussagen über Profil und Stabilität von potenziellen Teilnehmern zu treffen, habe ich eine individuell bedarfsgerechte Casting-Methode – basierend auf Assessment-Center und tiefenpsychologischem Interview – entwickelt: Im Assessment-Kamera-Casting findet unter Einbeziehung der Entscheider eine Vorauswahl des engeren Kandidatenkreises statt. Im tiefenpsychologischen Interview wird dieser Kreis dann konkret auf psychische Belastbarkeit geprüft. Aus gemeinsamer Analyse mit den Entscheidern ergibt sich schließlich die tatsächliche Teamkonstellation.
Das Aufgabenprofil des Coachings im Rahmen laufender TV-Formate umfasst die psychologische Kandidatenbegleitung vor, während und nach der Teilnahme sowie die Beratung im persönlichen Umfeld der Teilnehmer.
Vor allem bei Konflikten im Miteinander oder Problemen im Umgang mit der Ausnahmesituation stehe ich als Coach beratend zur Seite. Wichtig dabei ist, dass Kandidaten qualifiziert betreute Auszeiten nehmen können, um sich mental neu zu ordnen und Auswege aus Krisen zu finden. Hierzu werden im Coaching belastende Gefühle geklärt bzw. aufgearbeitet und persönliche Stärken wirksam aktiviert.
Coaching stellt für den Psychologen eine besondere Herausforderung dar: Oft innerhalb kurzer Zeit und unter besonderem Druck muss er mit dem einzelnen Kandidaten eine Lösung erarbeiten, die diesen im Sinne des jeweiligen Formats seine Ressourcen frei abrufen und Potenziale optimal ausschöpfen lässt.
Blicke hinter den Bretterzaun – Zur Seele von Big Brother
Vortrag von Ulrich M. Schmitz